Kasachstan: Selbstverwaltung
Die örtliche Selbstverwaltung
Die Herausbildung der örtlichen Selbstverwaltung in Kasachstan begann im Februar 1991, als das Gesetz der Kasachischen SSR „Über die örtliche Selbstverwaltung und die örtlichen Volksdeputiertensowjets" angenommen wurde. Dieses Gesetz brachte Kasachstan jedoch im Prinzip keine Neuerungen, da es das damals noch funktionierende „sowjetische Modell" der örtlichen Selbstverwaltung mehr oder weniger kopiert hatte.
Zwei im Januar 1992 vom Obersten Sowjet bestätigte Rechtsakte festigten das Institut des Leiters der örtlichen Verwaltung, der dem Präsidenten beziehungsweise dem Leiter der Gebietsverwaltung rechenschaftspflichtig war, und grenzten die Funktionen zwischen den Repräsentativ- und Exekutivorganen vor Ort voneinander ab. Erstmals wurden die Organe der örtlichen staatlichen Verwaltung von denen der örtlichen Selbstverwaltung getrennt. Da die gesetzgeberische Basis, die die Arbeit des örtlichen Selbstverwaltungssystems reglementieren sollte, nicht geschaffen wurde, erfuhr dieses Institut zunächst keine weitere Entwicklung. 1993 wurde das Gesetz „Über die örtlichen Vertretungs- und Exekutivorgane der Republik Kasachstan" angenommen, dass die Befugnisse der örtlichen Selbstverwaltung einschränkte. Die Organe der zur staatlichen Machtvertikale gehörenden örtlichen Verwaltung und die örtlichen Selbstverwaltungsorgane wurden gleichgesetzt. Damit existierte die örtliche Selbstverwaltung nicht einmal mehr nominal.
Die Regierung Kasachstans schlug im Jahre 2000 gleich zwei Gesetzentwürfe vor: „Über die örtliche staatliche Verwaltung" und „Über die exekutive Selbstverwaltung". Laut dem Entwurf gehörten zum System der örtlichen Verwaltung die Akimate - die Exekutivorgane - und die Maslichate - die Vertretungsorgane der Macht. Dieser Gesetzentwurf wurde im Januar 2001 angenommen. Die Unvollkommenheit der gesetzgeberischen Akte führte jedoch dazu, dass das örtliche Selbstverwaltungssystem in Kasachstan bis in die jüngste Zeit keine gesetzgeberische Verankerung erfuhr. Da die örtlichen Selbstverwaltungsorgane unentwickelt blieben, sollten die vom Staat durchgeführten Reformen in einzelnen sozialen und kommunalen Bereichen sowie den unteren örtlichen Verwaltungsorganen zur Lösung des Problems beitragen. Die weitreichendste Maßnahme war der von der Regierung 1996 angenommene Beschluss über die Bildung von Genossenschaften der Wohnungseigentümer. Gegründet wurden Genossenschaften (Kooperativen) der Wohnungseigentümer für den Unterhalt, den Betrieb und die Betreuung der Wohnhäuser. 86 Prozent der Bewohner von Mehrfamilienhäusern sind heute in 4500 Genossenschaften zusammengeschlossen. Obwohl sich real nur fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung Kasachstans in die Arbeit der Genossenschaften einbringen, stellten die Genossenschaften der Wohnungseigentümer von Anfang an ihre Effizienz unter Beweis und leisteten ihren Beitrag zur Lösung der Probleme. Allerdings konnten die Genossenschaften kein Allheilmittel bei der Lösung der kommunalen und Wohnungsprobleme sein.
Kasachstan steht heute an der Schwelle der Einführung des Systems der örtlichen Selbstverwaltung. Die Übergabe einiger Befugnisse an die örtlichen Selbstverwaltungsorgane in Kasachstan soll etappenweise vorgenommen werden. In der ersten Etappe wird die Arbeit vorbereitet. Ausgearbeitet werden Gesetze, die alle Aspekte der Tätigkeit und der Wechselbeziehungen der örtlichen Organe der Exekutivmacht und der örtlichen Selbstverwaltungsorgane regeln werden - hier befindet man sich derzeit in der Endphase. In der zweiten Etappe werden einige Vollmachten der Exekutive an die örtlichen Selbstverwaltungen übergeben. Möglich ist dies im Bereich der Kommunalwirtschaft, wo Fragen der Boden- und Wassernutzung, der Wärmeversorgung und der Begrünung in die Zuständigkeit der örtlichen Selbstverwaltungsorgane fallen werden. Der nächste Schritt sieht die Delegierung der Vollmachten von den Kreisverwaltungsorganen an die ihnen rechenschaftspflichtigen Selbstverwaltungsorgane vor. Hier geht es um den Betrieb der Kultureinrichtungen, Fragen der Grund- und Mittelschulbildung sowie des Gesundheitswesens. In der dritten Etappe erfolgt die Umverteilung der Vollmachten auf der Ebene der Rayons. Dann soll die Kommunalwirtschaft, die Straßenbewirtschaftung örtlicher Bedeutung, die Bautätigkeit und der Unterhalt des Wohnungsfonds sowie die Regelung der Gebühren für kommunale Dienstleistungen in die Zuständigkeit der örtlichen Selbstverwaltungsorgane übergehen. Der nächste Schritt beinhaltet die Delegierung der Befugnisse von den Gebietsverwaltungsorganen an die Organe der örtlichen Selbstverwaltung, die ersteren aber rechenschaftspflichtig bleiben. Hier geht es unter anderem um das System der Vorschul- und allgemeinen Mittelschulbildung sowie der medizinisch-sanitären Hilfe.